Wer über eine andere Linux-Distribution zu Ubuntu kommt, dem werden manche Dinge vertraut vorkommen, während andere völlig unbekannt sind. Das Paradebeispiel ist wahrscheinlich das unter openSUSE eingesetzte YaST, ein zentrales Systemmanagement-Werkzeug. Das prinzipiell geniale Konzept von YaST ist gleichzeitig das größte Problem, wenn man von openSUSE auf eine andere Distribution umsatteln möchte. Aber auch andere Distributionen enthalten entsprechende "Spezialitäten", z.B. bei der Paketverwaltung.
Obwohl alle Distributionen den Linux-Kernel nutzen, gibt es damit teilweise erhebliche Unterschiede. Dieser Artikel versucht, die Besonderheiten – oder auch Eigenheiten – von Ubuntu kompakt und übersichtlich darzustellen. Während einige der Unterschiede auf der Verwandtschaft mit Debian basieren, gibt es weitere Unterteilung in Bestandteile, die (bisher) nur in Ubuntu enthalten sind.
Nicht für alle relevant ist der Gemeinschaftsgedanke von Ubuntu, der im Code of Conduct festgelegt ist. Rückblickend lässt sich aber feststellen, dass diese Prinzipien zum Erfolg von Ubuntu beigetragen haben (und auch im Alltag empfehlenswert sind).
Neben dem Flaggschiff Ubuntu mit der Desktop-Oberfläche Unity (früher GNOME) gibt es offizielle Varianten, die in der Grundinstallation auf eine andere Desktop-Umgebung wie KDE, Xfce oder LXDE und andere Standardanwendungen setzen. Daneben existieren weitere Varianten für spezielle Einsatzzwecke, z.B. Edubuntu für Schulen (siehe auch offizielle Ubuntu-Varianten).
Neben den offiziellen Varianten gibt es etliche inoffizielle Derivate, die Ubuntu als Basis nutzen. Einige dieser Abkömmlinge sind im Artikel Alte Hardware/Ubuntu beschrieben.
Im Gegensatz zu anderen Gepflogenheiten kann man dem Namen jeder Ubuntu-Version den Monat und das Jahr der Veröffentlichung entnehmen. Ubuntu 12.04 wurde zum Beispiel im April 2012 veröffentlicht. Da die Release-Monate immer April und Oktober sind, steht hinter dem Punkt also entweder 04
oder 10
.
Daneben existieren zu jeder Version noch Codenamen, die häufig von Eingeweihten verwendet werden. Diese bestehen aus einem Tiernamen und einem Adjektiv und werden von Mark Shuttleworth persönlich ausgesucht (siehe auch Steckbriefe der Ubuntuversionen).
Während eine bestimmte Desktop-Umgebung eine reine Geschmacksfrage ist, kann die Versorgung mit Sicherheits-Aktualisierungen eine wichtigere Rolle bei der Auswahl spielen. Grundsätzlich gilt: jede Ubuntu-Version wird max. 18 Monate gepflegt. Einzige Ausnahme sind die LTS-Versionen, die längerfristig unterstützt werden – im Falle von Ubuntu 12.04 ganze 5 Jahre (bis April 2017).
Wer von einer Rolling-Release Distribution kommt, ist bei Ubuntu unter Umständen an der falschen Adresse. Außer Sicherheitsupdates werden Programme innerhalb einer Version nicht aktualisiert. Einzige Ausnahme: der Browser Firefox und das E-Mail Programm Thunderbird sind in der jeweils aktuellsten Version enthalten. Weitergehende Wünsche lassen sich – auf eigene Gefahr – durch den Einsatz von PPAs, Fremdquellen und Fremdpaketen realisieren.
Apropos Updates: weder Debian noch Ubuntu kennen Delta-Pakete. Praktisch heißt das, dass selbst bei kleinsten Änderungen aktualisierte Pakete immer komplett neu heruntergeladen werden müssen. Damit ist beispielsweise für ein Update des Kernels ein ca. 40 MiB großer Download fällig. In diesem Zusammenhang sind auch "Point Releases" interessant, die es aber nur für LTS-Versionen gibt.
Ubuntu kann man auf einem Rechner als Live-CD oder Live-USB ausprobieren. Das hat den Vorteil, dass man an der bestehenden Installation nichts kaputtmachen kann. Nach dem Neustart und Entfernen des Datenträgers ist alles wie vorher. Alternativ kann man aus der Live-Version heraus die Installation einleiten. Woher man die Live-Version (Desktop-CD/-DVD) bekommt, wie man sie einrichtet und startet, ist im Artikel Desktop-CD beschrieben.
Nachdem man mit Hilfe des Live-Systems getestet hast, ob die Hardware richtig erkannt wurde, die Internetverbindung funktioniert, etc. kann man zur Installation übergehen. Dabei ist es möglich, Ubuntu neben einem anderen Betriebssystem zu installieren und die vorhandenen Daten beizubehalten. Dennoch sollte man vorher immer eine Datensicherung machen, für den Fall, das etwas schief geht. Die Installation von Ubuntu wird im Artikel Installation behandelt.
Statt auf der internen Festplatte kann man Ubuntu auch auf einem externen Datenträger (Festplatte, USB-Stick, SD-Card usw.) installieren:
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Debian Paketverwaltung |
Der traditionell größte Unterschied zwischen verschiedenen Distributionen liegt nicht in der Standard-Desktopumgebung, sondern in der Art, wie das Software-Management realisiert ist. Debian und auch Ubuntu verwenden hier dpkg, auf das weitere Kommandozeilen-Werkzeuge wie apt-get oder aptitude aufsetzen.
Innerhalb der grafischen Oberflächen dient ein Paketmanager zur Auswahl, Installation und Deinstallation von Programmen. Der bekannteste ist vermutlich Synaptic. Debian-Pakete haben die Endung .deb und der Inhalt kann mit einem Archivmanager eingesehen werden. Programmdateien befinden sich im Archiv data.tar.gz, während control.tar.gz Anweisungen zur Installation und Konfiguration enthält.
Für Umsteiger von Debian wichtig ist das unterschiedliche Verhalten des Befehls:
sudo apt-get dist-upgrade
Innerhalb eines Release-Zyklus werden mit diesem Befehl – nach einer Aktualisierung mit sudo apt-get update
– Updates eingespielt. Während man unter Debian damit auch ein Upgrade auf eine neuere Version bzw. einen Release-Wechsel (nach Bearbeiten und Aktualisieren der Paketquellen) einleitet, wird dies von Ubuntu nicht unterstützt, weil einige Pakete erwarten, in einer anderen Reihenfolge aktualisiert zu werden. Wie man unter Ubuntu auf eine neuere Version aktualisiert, ist in verschiedenen Artikeln rund um das Thema Upgrade beschrieben.
Meist gibt es für einen bestimmten Zweck nicht nur ein Programm. Darüber hinaus kann es wie im Fall von Java vorkommen, dass verschiedene (Hersteller-)Varianten gleichzeitig installiert sein können. Mit dem Alternativen-System lässt sich das jeweilige systemweite Standard-Programm festzulegen. Daneben bieten alle Desktop-Umgebungen weitere Mechanismen, dies über den MIME-Typ pro Benutzer einzurichten.
Einheitliche grafische Systemverwaltungswerkzeuge sind unter Ubuntu und seinen Varianten nicht vorhanden. Das ist aber im Regelfall kein Problem, da auf die in den jeweiligen Desktop-Umgebungen vorhandenen Konfigurationsprogramme zurückgegriffen werden kann. Das wären im einzelnen:
Ubuntu: GNOME3 Systemeinstellungen
bis Ubuntu 11.04: GNOME Desktop anpassen
Kubuntu: KDE-Systemeinstellungen
Xubuntu: Xfce-Einstellungen
Lubuntu (LXDE): LXDE Einstellungen
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Quelle: xkcd.com ![]() |
Wie unter jedem Linux gibt es auch unter Ubuntu das Systemverwaltungskonto root
. Zu diesem Konto kann man allerdings nicht mit dem klassischen Befehl su wechseln. Stattdessen ist durchgängig der Befehl sudo zu verwenden, wenn Aufgaben mit Administrator-Rechten ausgeführt werden sollen.
Um eine "echte" Root-Shell zu öffnen, benutzt man den Befehl:
sudo -i
die mit exit
wieder verlassen wird.
Innerhalb der Desktop-Umgebungen dienen gksudo (Unity, GNOME, Xfce, LXDE) bzw. kdesudo (KDE) zum Starten von grafischen (!) Programmen mit Root-Rechten.
Fast alle Ubuntu-Varianten verwenden inzwischen LightDM zur grafischen Anmeldung. Diese Neuentwicklung wird in anderen Distributionen (noch) eher selten eingesetzt. Weitere Informationen liefert der Artikel Displaymanager.
Wer eine moderne, Smartphone-ähnliche Desktop-Oberfläche mag, findet in der Eigenentwicklung Unity zahlreiche innovative Ideen. Ob diese auch den eigenen Bedürfnissen bzw. Gewohnheiten entsprechen, sollte man selbst ausprobieren.
Wichtige Begriffe in diesem Zusammenhang sind:
die Dash als Schnellauswahl bzw. Übersicht (die Dash-Shell ist etwas anderes)
eine Launchbar als Programmstarter bzw. Dock
ein Globalmenü im Panel (wie bei Mac OS X)
Benachrichtigungsanzeigen (Indicator Applets, leicht mit dem klassischen Benachrichtigungsfeld zu verwechseln)
spezielle integrierte Suchmöglichkeiten: Lenses
HUD (Head-Up-Display)
Eine lesenswerte Einführung in Unity für Ein- und Umsteiger bieten die Anleitungen:
Das Software-Center ist eine Kombination aus Paketverwaltung und Online-Shop. Während Fortgeschrittene immer wieder über Ungereimtheiten wie eine fehlerhaft implementierte interne Suche stolpern, wird sich die iTunes-Generation wie zu Hause fühlen.
Ubuntu One nennt sich der Cloud-Dienst der Fa. Canonical, der jedem Ubuntu-Benutzer 5 GiB kostenlosen Speicherplatz zur Verfügung stellt (mehr kann käuflich erworben werden). Die beste Integration dieser Funktion bietet das Flaggschiff Ubuntu. Darüber hinaus gibt es Clients für Android, IOS, Windows und Mac OS X.
OneConf ist eng mit dem Software-Center und Ubuntu One verknüpft. Im Kern geht es darum, installierte Programme und eigene Konfigurationsdateien möglichst einfach von einem auf einen anderen Ubuntu-Rechner übertragen zu können.
"Personal Package Archive" (PPA) sind vielleicht eine der besten Ideen von Ubuntu. Basierend auf der Plattform Launchpad haben Entwickler die Möglichkeit, Endanwendern fertige Installationspakete zur Verfügung zu stellen, die entweder nicht in den offiziellen Paketquellen oder nur in einer älteren Version enthalten sind. Selbstkompilieren aus dem Quellcode – ein gerade für Einsteiger abschreckender Vorgang – entfällt damit (ist bei Bedarf aber jederzeit möglich).
Zu den Details siehe Launchpad/PPA und Paketquellen freischalten/PPA.
Ubiquity nennt sich der Installationsassistent von Ubuntu, der sich je nach Ubuntu-Variante optisch anders präsentiert, aber immer die gleichen Basisroutinen zur Verfügung stellt.
Jede Linux-Distribution braucht ein System, um beim Rechnerstart benötigte Komponenten nachzuladen und Dienste einzurichten. Lange Jahre war SysVinit aus Unix die gemeinsame Basis aller Linux-Distributionen. Da auf Desktop- und mobilen Rechnern ein möglichst schneller Systemstart erwünscht ist, sind fast gleichzeitig zwei neue Systeme entstanden:
Unter Ubuntu wird bisher exklusiv auf Upstart gesetzt.
Ubuntu war eine der ersten Distributionen, die von GRUB auf GRUB 2 als Bootmanager umgestiegen ist. Wer die erweiterten Möglichkeiten von GRUB 2 nicht braucht, kann nachträglich GRUB 2 durch GRUB ersetzen.
Plymouth kümmert sich um die grafische Animation des Bootvorgangs. Ärgerlich ist, dass man sich entschieden hat, dieses als zwingende Voraussetzung zu nutzen (556372). Wer die vollständigen Bootmeldungen bevorzugt, sollte daher nicht versuchen, Plymouth zu deinstallieren, sondern entsprechende Bootoptionen verwenden.
Netzwerk-Konfiguration: Ubuntu und alle Varianten setzen auf den grafischen NetworkManager. Wie man diesen ohne eine Desktop-Umgebung einsetzt, beschreibt der Artikel NetworkManager ohne GUI.
Freigaben im Netzwerk: die Dateimanager der großen Desktop-Umgebungen wie Nautilus (Unity/GNOME), Thunar (Xfce) und PCManFM (LXDE) verwenden inzwischen alle GVFS, um direkt auf Freigaben zuzugreifen (KDE bietet ebenfalls entsprechende integrierte Funktionen). Wenn man dagegen Freigaben erstellen möchte, gibt es zwei Möglichkeiten: einmal pro Benutzer mit net usershare oder systemweit mit Samba.
Ordnerstruktur: Die Unterteilung des Root-Dateisystems ist bei allen Linux-Distributionen zwar mehr oder weniger statisch (LSB-konform), allerdings gibt es ab und zu doch mal kleine Änderungen. Der Artikel Verzeichnisstruktur versucht, die Situation unter Ubuntu darzustellen.
Fernzugriff: ein weites Feld, zu dem auch das Thema Fernwartung gehört. Speziell bei Ubuntu ist zu erwähnen, dass der Zugriff via XDMCP abhängig von eingesetzten Displaymanager nicht immer unproblematisch ist.
Benutzerverwaltung: Benutzerkennungen (UIDs) beginnen bei Ubuntu ab 1000, während andere Distributionen mit 500 starten.
Wayland ist derzeit noch kein Thema, aber für die Zukunft angedacht (Stand: 12/2012)
Wer mehrere Linux-Versionen auf einem Rechner hat, stellt sich schnell die Frage, wie man ein gemeinsames Homeverzeichnis effizient mit jeder installierten Distribution nutzen kann. Prinzipiell erfordert dies nur eine separate Partition für /home
, die dann nur noch entsprechend eingebunden werden muss. Die Probleme liegen allerdings im Detail. Verschiedene Desktop-Umgebungen (in verschiedenen Versionen) sorgen schnell für Chaos, insbesondere bei den (versteckten) Konfigurationsdateien, Autostart-Mechanismen etc.
In der Praxis ist es oft einfacher, z.B. die Mediensammlung (Bilder, Audio- und Videodateien) auf eine eigene Partition (oder einen externen Datenträger) auszulagern und diese jeweils in das eigene Homeverzeichnis einzubinden.