Ubuntu 12.04 „Precise Pangolin“
Ubuntu 10.04 „Lucid Lynx“
Ardour
ist ein Harddisk-Recorder und ein Audio-Workstationprogramm. Ursprünglich ein ProTools-Klon, hat es sich heute in Features und Bedienkonzept emanzipiert. Es bietet Audiospuren in unbegrenzter Zahl, in Verbindung mit Jack mächtige Routingfunktionen, ausgefeiltes Mixing, vollständige Automatisierung, Undo und Redo auch nach Beenden und Neustart des Programms, Unterstützung vielfältiger professioneller Audioformate (einschließlich Wav64, Broadcast etc.), regionenbasierte Bearbeitung mit einfacher Erstellung von Crossfades uvm. Jeder Bearbeitungsschritt ist nicht-destruktiv, auch Schnitte und Löschen einzelner Abschnitte von Audioaufnahmen lassen sich leicht rückgängig machen. Alle Aktionen im Mixer und in Effekt-Plugins geschehen in Echtzeit. Man hört also sofort, was geschieht, wenn man einen Regler bewegt.
Ardour besitzt keinerlei eigene Audio-Effekte, unterstützt aber die nativen Linux-Plugins in den Formaten LV2 und LADSPA. Diese Plugins lassen sich in einzelne Mixerspuren und/oder in den Masterkanal einfügen. Effekte lassen sich auch semi-destruktiv "anwenden".
Für Umsteiger von anderen Betriebssystemen scheinen wichtige Funktionen in Ardour zu fehlen - so beherrscht es (noch) keine Videospuren und hat (ebenfalls noch) keine Midi-Sequencingfunktionalität. Hier sollte man nicht vergessen, dass es unter Linux leicht möglich ist, verschiedenste Programme zusammenarbeiten zu lassen, die sich jeweils auf bestimmte Aufgaben konzentrieren. Alle professionellen Audioprogramme können unter Linux über den Jack-Soundserver miteinander und mit externer Hardware kommunizieren, so dass Ardour leicht gemeinsam mit Software wie Rosegarden (Midi) oder Jamin (Masteringprozessor) verbunden werden kann. Für das Bearbeiten von Videosoundtracks lässt sich Ardour mit dem Videoplayer xjadeo oder dem Schnittsystem Open Movie Editor synchronisieren. Einen Einblick in die praktische Nutzung am Beispiel des Schnitts von Radiobeiträgen liefert der Artikel Ardour/Nutzung.
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Ardour auf 2 Bildschirmen |
Im März 2013 wurde Ardour3 freigegeben, und beherrscht nun auch nativ MIDI-Spuren. Quell- und Binär-Pakete für diese Version stehen auf der Ardour-Homepage zur Verfügung.
Ardour ist in den Paketquellen von Ubuntu enthalten. Zu installieren [1] ist
ardour (universe)
mit apturl
Paketliste zum Kopieren:
sudo apt-get install ardour
sudo aptitude install ardour
oder
ardour-i686 (universe, optimiert für moderne Prozessoren bei 32bit-Betrieb)
mit apturl
Paketliste zum Kopieren:
sudo apt-get install ardour-i686
sudo aptitude install ardour-i686
Diese Versionen unterstützen nur LADSPA-Plugins.
Für die Verwendung von VST- oder LV2-Plugins muss Ardour selbst entsprechend kompiliert werden. Inkompatible Lizenzen machen es unmöglich, fertige Ardourpakete mit VST-Unterstützung bereitzustellen. Die beiden Ardour-Pakete bietet ab Ubuntu 10.04 von Haus aus LV2-Unterstützung.
Ardour besteht im Wesentlichen aus zwei Sektionen: Einem Audio-Arrangement und einem Mischpult. Dieses Konzept unterscheidet sich daher von anderen Programmen, da es durch die Möglichkeiten im Verbund mit Jack ein nach allen Seiten offenes System darstellt und dadurch auch als ein (nahezu grenzenloses) Mischpult mit Audioarrangement-Funktionalität angesehen werden kann. So ist es möglich, jeden unter Jack laufenden Klangerzeuger, Arranger, Tracker o.ä. im Mischpult von Ardour mit anderen Signalen zu mischen, mit Effekten zu belegen oder auch darin aufzunehmen.
Ardour kennt prinzipiell nur zwei Arten von Kanälen oder Spuren: Tracks (Audiospuren) und Busse (Monitorkanäle). Der grundlegende Unterschied ist, dass Busse nur einen frei belegbaren Kanalzug in einem Mischpult darstellen, Tracks hingegen sozusagen fest mit einer (digitalen) Bandmaschine verbunden sind - somit also auf Festplatte aufnehmen und von dort aus wiedergeben können. Ansonsten bestehen keine weiteren Unterschiede. Dieses Konzept ist somit weitaus offener, als beispielsweise Cubase, da es zwischen Monitorkanälen keine Trennung in Effekt-, Eingangs-, Monitor- oder Gruppenkanäle gibt und zusätzlich an jedem Eingang eines Monitorkanals beliebig viele Quellen in beliebig vielen Kanalkonstellationen anliegen können. So werden Busse also beispielsweise verwendet, um:
Kanäle zu Gruppen zusammenzufassen, z.B. für gemeinsame Effekte oder eine gemeinsame Automation
Send-Effekte bereit zu stellen, um z.B. ein Hallgerät von allen anderen Kanälen aus anzusteuern
Externe Klangerzeuger in eine Mischung mit einzubinden und mit Effekten zu versehen
Individuelle Monitorkanäle (oder gar ganze Monitorpulte) für einspielende Musiker zusammenzustellen
Alle Tracks oder Busse können innerhalb von Ardour eine beliebige Anzahl an Kanälen enthalten, somit kann man beispielsweise eine mehrkanalige Surroundaufnahme auf nur einer Audiospur aufzeichnen, die die entsprechende Anzahl Kanäle enthält. Die Kanalkonfiguration eines Tracks oder Busses kann zur Laufzeit, also nachträglich, frei geändert werden.
Jeder Track oder Bus kann Signale aus beliebigen Quellen annehmen und ebenso an beliebige Empfänger senden. Das gleiche gilt für zwei spezielle Arten von "Effekten" im Mischpult: Inserts und Sends. Diese stellen an der Stelle, an der sie eingefügt wurden, einen Abgriff des Signals dar, das von dort aus jeden anderen Track/Bus, jeden anderen Eingang eines externen Programmes oder gar jeden Anschluss an der Soundkarte versorgen kann. Die "Verkabelung" kann dabei in der Benutzeroberfläche von Jack vonstatten gehen oder auch direkt in Ardour erfolgen. Durch diese nahezu grenzenlosen Möglichkeiten hebt sich Ardour im Verbund mit Jack deutlich von anderen HD-Recordinglösungen ab.
Jedem Eingang kann die Anzahl an Kanälen (im Sinne von Streams, also z.B. mono=1, stereo=2, surround=5) frei vergeben werden. Jeder dieser Kanäle kann nun mit einem Kanal eines Ausgangs, der innerhalb von Jack verfügbar ist, verbunden werden. Das können dann beispielsweise sein:
Eingang der Soundkarte
Ausgang eines anderen Programms
Ausgang eines Tracks/Busses in Ardour
Ausgang eines Sends oder Inserts in Ardour
Eingänge finden sich vor allem an Audio- und Monitorkanälen (Rechtsklick am oberen Ende eines Kanalzugs im Mischpult) und in Inserts.
Jeder Ausgang kann sein Signal an beliebige Empfänger schicken. Eine Unterschiedliche Anzahl an Kanälen in einem Track/Bus/Send/Insert erfordert natürlich eine spezielle Form der Balance- oder Panoramaregelung, was Ardour durch ein sehr flexibel nutzbares Konzept ermöglicht:
Mono: einfacher Panoramaregler R/L
Stereo: 2 Panoramaregler, die als Balanceregler verknüpft werden oder auch gegenläufig arbeiten können
Mehrkanal: zweidimensional freie Anordnung aller Kanäle und Quellen
Auch die Wahl der Anzahl an Kanälen in den Ausgängen kann in Ardour zu jeder Zeit erfolgen, wobei sich die Balanceregelung automatisch anpasst. Standardmäßig verbindet Ardour die Ausgänge von Spuren und Bussen mit dem Eingang des Masterkanals. Ein individuelle Verkabelung ist also nicht unbedingt erforderlich.
Das Mischpult stellt alle vorhandenen Tracks oder Busse wahlweise dar. Am linken Rand können einzelne Spuren oder ganze Gruppen ein- und ausgeblendet werden. Die Gruppenzuordnung erfolgt im Kanalzug unter dem Fader. Am rechten Rand befindet sich der Masterkanal, der wenige Besonderheiten aufweist:
wenn gewünscht, verbinden sich alle neu erstellten Spuren automatisch mit seinen Eingängen
er ist nicht löschbar
Den Großteil des Fensters nehmen die Kanalzüge ein. Deren Sortierung ist beliebig im Bereich am linken Rand per Drag&Drop wählbar. Das Signal durchläuft einen Kanalzug von oben nach unten:
Eingangssektion (Wahl der Anzahl Kanäle, Verbinden mit anderen Ausgängen)
Prefader Inserts (beliebig viele Effekte, Sends und Inserts, die vor dem Fader abgegriffen werden sollen)
Fader
Postfader Inserts (beliebig viele Effekte, Sends und Inserts, die nach dem Fader abgegriffen werden sollen)
Panorama/Balance (Wahl der Verteilung der Kanäle auf die Ausgangskonfiguration)
Ausgangssektion (Wahl der Anzahl Kanäle, Verbinden mit anderen Eingängen)
Im Arrangement können alle erstellten Tracks oder Busse wahlweise angezeigt und sortiert werden. Wie im Mischpult auch ist hier ebenfalls ein Zusammenfassen in Gruppe möglich. Die Sortierung wird auch hier per Drag&Drop im Bereich rechts vorgenommen, ebenso wie die Verwaltung der Spuren und Gruppen. Am linken Fensterrand kann man sich den Kanalzug der ausgewählten Spur einblenden lassen, daneben erscheinen die Bedienfelder der einzelnen Tracks und Busse. Den Großteil des Fensters nimmt das Arrangement selbst ein, in dem die Audiospuren auf der Zeitleiste angeordnet werden. Im Arrangement werden außerdem die Automationen des Mischpults visualisiert und können dort bearbeitet werden. Automationen können als Kurven in spezielle Subspuren eingezeichnet oder direkt durch Bewegen der Regler zur Laufzeit aufgenommen werden.
Fehlermeldung:"the disk system on your computer could not keep up with Ardour"
Diese Fehlermeldung bei Aufnahmen von Audio mit Ardour kann vielfältige Ursachen haben. Vor allem hängt der Fehler mit den niedrigen Audio-Hardware Puffereinstellungen zusammen, mit denen Ardour standardmäßig arbeitet. Abhilfe kann das Ändern des "track-buffer-seconds"-Parameters in der Datei /.ardour2/ardour.rc bringen. (Das Verzeichnis liegt versteckt im Home-Verzeichnis des jeweiligen Nutzers).
Der Standardwert für "track-buffer-seconds" beträgt "5" und kann zur Problembeseitigung erhöht werden.
Wird "track-buffer-seconds" auf einen zu hohen Wert eingestellt (>10) kann dies Performance und Latenz verschlechtern.
Des Weiteren kann dieser Fehler mit Performanceproblemen des Dateisystems/Laufwerks in Verbindung gebracht werden. Siehe hierzu den Artikel Tonstudio/Konfiguration#"noatime"
Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang auch die Umgebung, in der die Aufnahmen stattfinden. Während in ruhiger Umgebung zuhause oder im Studio alles bestens funktioniert, kann dieser Fehler bei Aufnahmen in einer Live-Situation oder im Proberaum plötzlich auftreten. Dies hängt mit den dort vorhandenen, starken Vibrationen zusammen, welche die Latenzzeiten der Festplatte beim Lesen und Schreiben dramatisch erhöhen und somit den Lese-/Schreibfluss behindern können. Unabdingbar für die Lösung dieses Problems ist eine ordentliche Absicherung des Datenträgers gegen Vibrationen. Zusätzlich hilft hier auch ein Erhöhen der "track-buffer-seconds"-Einstellung, wie oben beschrieben. Eventuell kann sich auch die Investition in ein sehr schnelles SSD-Speichergerät lohnen.